theater glassbooth
 
   
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Der Mann im Glaskasten

von Robert Shaw

New York 1964: Der wohlhabende Jude Arthur Goldman lebt in seinem Penthouse in Manhattan ein dekadentes Dasein. Seine offensichtliche Selbstgefälligkeit führt zu Paranoia. Es verdichten sich Hinweise, dass Goldman sich nur hinter seiner jüdischen Identität versteckt und in Wahrheit der ehemalige SS-Obersturmbannführer Adolf Karl Dorff ist. Als israelische Beamte in seine Wohnung eindringen, um ihn nach Israel zu überführen, lässt Goldman sich bereitwillig als der gesuchte Nazi verhaften. Während des Prozesses konfrontiert man ihn mit ehemaligen KZ-Häftlingen, die über seine Gräueltaten der Vergangenheit berichten. Am Ende ereignet sich etwas, womit keiner der Anwesenden gerechnet hätte...

Der Autor und Schauspieler Robert Shaw (1927-78), bekannt aus Filmen wie Der Clou oder Der Weisse Hai, adaptierte seinen 1967 veröffentlichten Roman The Man in the Glass Booth noch im gleichen Jahr für die Bühne. Das Theaterstück ist angelehnt an die Verhaftung und Verurteilung Adolf Eichmanns, der als einer der meistgesuchten Nazi-Verbrecher aus Argentinien entführt und 1962 in Israel gehängt wurde. Shaw verquickt seine Anspielungen auf tatsächliche Ereignisse, auch solche, die die Politik des Vatikans in den 60er Jahren betreffen, mit dem berühmten Prozessbericht Eichmann in Jerusalem: Ein Bericht von der Banalität des Bösen von Hannah Arendt. Die künstlerische Interpretation dieser Geschehnisse steht bei The Man in the Glass Booth ganz in der Tradition des Absurden Theaters. Die Uraufführung fand 1967 in London unter der Regie des Dramatikers Harold Pinter (Der Hausmeister) statt. Das Stück löste teilweise heftige Kontroversen aus. An Aktualität hat es bis heute nichts verloren.

Bislang wurde das Stück, wie auch alle anderen Werke Shaws, nicht ins Deutsche übersetzt. Die Essener Studenten Gordon Stephan (auch Regie) und Jens Dornheim (auch Hauptdarsteller) wagten sich nun erstmals an die Übersetzung des schwierigen Stoffes und gründeten im November 2003 die mittlerweile 15köpfige Theatergruppe Glassbooth.



Football ist Baseball

Wie viele Gedanken man sich doch macht, wenn es darum geht ein Stück zu finden, das man auf die Bühne bringen will. Die Entscheidung für The Man in the Glass Booth fiel für mich erst beim Übersetzen des Stückes ins Deutsche. Was für mich zunächst als reine Übersetzungs-, für Jens vielleicht eher Überredungshife war, interessierte mich bald so sehr, dass ich nicht mehr zweifelte, dass wir ein gutes Bühnenstück gefunden hatten: schwarzer Humor, gekoppelt mit ernster Aussage. Dass es gleichzeitig kein 'crowd pleaser' werden würde und unsere gegründete 'Shawciety' sich ein viel zu hohes Ziel gesteckt hatte, war mir jedoch genauso klar.

Mein Interesse an der eigentlichen Wahl eines Stückes war zu Beginn erschreckend gering. Ich wollte schließlich nur Theater machen, mich an irgendetwas ausprobieren, einfach hineingreifen in den unerschöpflichen Fundus an geschriebenen Stücken; neu oder alt, das war mir gleich. Eine kleine Besetzung war das Ideal, eine (relativ) große Besetzung ist jetzt das Ergebnis. sowieso hat sich vieles anders entwickelt, was wir es uns am Anfang gedacht hatten. Die Besetzungen wechselten, immer wieder sprangen Beteiligte vom Projekt ab, was nicht zuletzt an der schwierigen Besetzungslage und der Thematik lag. Ich habe mit glassbooth die erste Erfahrung im Regieführen gemacht, und war von Anfang an überrascht, welchen Spaß es mir bereitet und wie sehr sich die Arbeit in jeder Einzelprobe gelohnt hat. Absichtlich haben Jens und ich uns entschlossen, uns etwa ein Jahr Probezeit zu geben. Endlich einmal intensive Probenphasen haben und den Spaß dabei nicht verlieren, das war unser Ziel! So sollte gesichert sein, dass immer weiter gefeilt werden kann, und wir Wochen vor der Premiere auf sicheren Beinen stehen ? ein Zustand, den ich von Schul- und Studienzeiten her nicht kenne, der aber mit guter Organisation zu erreichen ist, damit der unumgängliche Premierenstress, die "heiße Phase", genießbar wird.

Es war uns der Raum gegeben, alle unsere Ideen gemeinsam in die Inszenierung einfließen zu lassen, die Diskussionen waren oft fruchtbar und haben uns in die Tiefe des Stückes eindringen lassen. Sich dem Thema "Holocaust" auf diese Weise ein neues Mal nähern zu können, fernab von der Erinnerung an leidiges Malträtieren zu Schulzeiten, war eine Chance. Themen der Macht(verschiebung) und der Gewalt interessieren mich sehr stark am Stück. Die Figur des Goldman musste zudem von uns mit Leben gefüllt werden, so dass sie realistisch und abstrakt zugleich ist.

Der Mann im Glaskasten ist eine Einladung zur Diskussion, Zum Nachdenken über die Vergangenheit, über die politische Situation in und die Sicht von Außen auf Deutschland, gestern, heute und in Zukunft. Die Momente der Stille und die Untertöne sollten dabei nicht überhört werden. so wird aus dem Fall Eichmann und dem Jahr 1964 eine Folie, die durchaus auf jede Zeit zu übertragen ist: Football ist Baseball. wir sind alle Deutsche und Juden.
 

Über den Autor

Robert Shaw wurde am 09.08.1927 in Westhoughton, England, geboren.

Er entdeckte schon früh seine Begeisterung für Schriftstellerei und Schauspielerei. Shaw wurde an der Royal Academy of Dramatic Arts ausgebildet und war bis 1954 fast ausschließlich auf der Bühne tätig. Ab 1955 hatte er ebenso regelmäßige Filmauftritte. Internationaler Durchbruch 1963 mit From Russia with Love (Liebesgrüße aus Moskau). Oscar-Nominierung 1966 für A Man for all Seasons (Ein Mann zu jeder Jahreszeit). Mitte der 70er Jahre profilierte sich Shaw, durch die Mega-Erfolge von The Sting (Der Clou, 1973) und Jaws (Der weiße Hai, 1975), als Star.

Im englischsprachigen Raum machte sich Shaw ebenfalls einen Namen als Roman- und Theaterautor. Sein erster Roman, The Hiding Place (1959), wurde verfilmt unter dem Titel Situation hopeless but not serious (Lage hoffnungslos- aber nicht ernst, 1964). Die Verfilmung seines Theaterstücks The Man in the Glass Booth (adaptiert von seinem Roman) erschien 1975. Shaw war jedoch so unzufrieden mit dem Drehbuch, dass er seinen Namen von den Credits entfernen ließ. Shaw hatte neun Kinder aus drei verschiedenen Ehen. Am 28.08.1978 starb er in Tourmakeady, Irland, an einer Herzattacke.


Arbeiten als Schriftsteller:

Romane:

The Hiding Place (1959), The Sun Doctor (1961), The Flag (1965), The Man in the Glass Booth (1967), A Card from Morocco (1969)

Stücke:

Off the Mainland (1956), The Man in the Glass Booth (1967), Cato Street (1971)

Drehbücher:

The Pets (1960), Figures in a Landscape (1970)

Filmografie (Auswahl):

The Dam Busters (Dambusters, 1955), The Caretaker (Der Hausmeister, 1963), From Russia with Love (Liebesgrüße aus Moskau, 1963), A Man for All Seasons (Ein Mann zu jeder Jahreszeit, 1966), Custer of the West (Ein Tag zum Kämpfen, 1967), The Birthday Party (1968), Figures in a Landscape (Im Visier des Falken, 1970), A Town Called Bastard (Kein Requiem für San Bastardo/ Eine Stadt nimmt Rache, 1971), The Sting (Der Clou, 1973), The Taking of Pelham 1-2-3 (Stoppt die Todesfahrt der U 123, 1974), Jaws (Der weiße Hai, 1975), Der Richter und sein Henker (1975), Robin and Marian (Robin und Marian, 1976), Black Sunday (Schwarzer Sonntag, 1977), Avalanche Express (Lawinenexpress, 1978)


essay über robert shaw von jens dornheim auf filmzentrale.com
 

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