Football ist Baseball
von Gordon Stephan
Wie viele Gedanken man sich doch macht, wenn es darum geht
ein Stück zu finden, das man auf die Bühne bringen
will. Die Entscheidung für The
Man in the Glass Booth fiel für mich erst beim
Übersetzen des Stückes ins Deutsche. Was für
mich zunächst als reine Übersetzungs-, für
Jens vielleicht eher Überredungshife war, interessierte
mich bald so sehr, dass ich nicht mehr zweifelte, dass wir
ein gutes Bühnenstück gefunden hatten: schwarzer
Humor, gekoppelt mit ernster Aussage. Dass es gleichzeitig
kein 'crowd pleaser' werden würde und unsere gegründete
'Shawciety' sich ein viel zu hohes Ziel gesteckt hatte, war
mir jedoch genauso klar.
Mein Interesse an der eigentlichen Wahl eines Stückes
war zu Beginn erschreckend gering. Ich wollte schließlich
nur Theater machen, mich an irgendetwas ausprobieren, einfach
hineingreifen in den unerschöpflichen Fundus an geschriebenen
Stücken; neu oder alt, das war mir gleich. Eine kleine
Besetzung war das Ideal, eine (relativ) große Besetzung
ist jetzt das Ergebnis. sowieso hat sich vieles anders entwickelt,
was wir es uns am Anfang gedacht hatten. Die Besetzungen wechselten,
immer wieder sprangen Beteiligte vom Projekt ab, was nicht
zuletzt an der schwierigen Besetzungslage und der Thematik
lag. Ich habe mit glassbooth die
erste Erfahrung im Regieführen gemacht, und war von Anfang
an überrascht, welchen Spaß es mir bereitet und
wie sehr sich die Arbeit in jeder Einzelprobe gelohnt hat.
Absichtlich haben Jens und ich uns entschlossen, uns etwa
ein Jahr Probezeit zu geben. Endlich einmal intensive Probenphasen
haben und den Spaß dabei nicht verlieren, das war unser
Ziel! So sollte gesichert sein, dass immer weiter gefeilt
werden kann, und wir Wochen vor der Premiere auf sicheren
Beinen stehen – ein Zustand, den ich von Schul- und
Studienzeiten her nicht kenne, der aber mit guter Organisation
zu erreichen ist, damit der unumgängliche Premierenstress,
die "heiße Phase", genießbar wird.
Es war uns der Raum gegeben, alle unsere Ideen gemeinsam
in die Inszenierung einfließen zu lassen, die Diskussionen
waren oft fruchtbar und haben uns in die Tiefe des Stückes
eindringen lassen. Sich dem Thema "Holocaust" auf
diese Weise ein neues Mal nähern zu können, fernab
von der Erinnerung an leidiges Malträtieren zu Schulzeiten,
war eine Chance. Themen der Macht(verschiebung) und der Gewalt
interessieren mich sehr stark am Stück. Die Figur des
Goldman musste zudem von uns mit Leben gefüllt werden,
so dass sie realistisch und abstrakt zugleich ist.
Der Mann im Glaskasten
ist eine Einladung zur Diskussion, Zum Nachdenken über
die Vergangenheit, über die politische Situation in und
die Sicht von Außen auf Deutschland, gestern, heute
und in Zukunft. Die Momente der Stille und die Untertöne
sollten dabei nicht überhört werden. so wird aus
dem Fall Eichmann und dem Jahr 1964 eine Folie, die durchaus
auf jede Zeit zu übertragen ist: Football ist Baseball.
wir sind alle Deutsche und Juden.
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